
Gute Aussichten für Olympia 2028
Den Turnsport in der Breite zu fördern ist eines der Anliegen der KTV Straubenhardt. Doch sie wäre kein Spitzenverein, wenn man dabei nicht stets auch den Nachwuchs für den Leistungssport im Auge hätte.
Die Sonne scheint, ein warmer Sommertag lockt nach draußen, aber die Jungs in der Straubenhardt-Halle lassen sich durch nichts von ihrem Training ablenken. Es fängt an mit spielerisch erscheinenden Aufwärm- und Dehnübungen, Sprungkraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit werden trainiert, später zeigen die Kinder dann stolz, was sie turnerisch schon drauf haben. Rad und Überschlag, Schwungelemente am Barren, Handstand auf einem wackeligen Wippgestell, das alles und mehr präsentieren sie einer Haltung, die fast vergessen lässt, dass hier Kinder turnen.
Auch wenn es beim Spagatüben manchmal „ein bissle wehtut“, den Kindern macht das Training Spaß, so sagen sie, und das sieht man ihnen auch an. Für den KTV-Chef- und Jugendtrainer Steve Woitalla geht es aber um mehr. „Turnen ist eine ideale Körperschule“, betont er, „die Kinder trainieren Körpergefühl, Beweglichkeit und Koordination. Diese Fähigkeiten können sie immer brauchen, egal, ob sie beim Turnen bleiben oder später anderen Sport machen.“

Körperschule und Kaderschmiede
Die Jugendarbeit spielt in der KTV eine große Rolle und Turntalente haben hier das denkbar beste Entwicklungsumfeld. Zur Nachwuchsgewinnung werden zwei Mal jährlich Schulen und Kindergärten zu Schnuppertrainings und Talentsichtungen eingeladen. Den Sportlehrern in der Region bietet die KTV zudem an, gemeinsame Unterrichtseinheiten mit dem Profitrainer Steve Woitalla zu gestalten.
Idealerweise fangen die Kinder mit fünf Jahren im Turnverein an, ab etwa zehn Jahren werden die talentiertesten an den Leistungssport herangeführt und nehmen an Wettkämpfen teil, die besten auch bundesweit. Mit etwa 13 Jahren können vielversprechende Nachwuchs-Talente dann an eines der Bundeszentren wechseln, wo sie Sport und Schule bestmöglich vereinbaren können.
Das Zeug dazu haben derzeit einige der Jungen, die hier in der Halle herumwirbeln. „Genau vorhersagen kann man das natürlich nicht“, sagt KTV-Präsident Jörg Gänger, „da müssen viele Puzzlesteinchen zusammenkommen, angefangen von der konstitutionellen Eignung, wie zum Beispiel Körpergröße und -proportionen. Die Eltern müssen den Fahrdienst leisten können, die Schule soll nicht zu kurz kommen. Am wichtigsten ist die Eigenmotivation der Kinder, damit sie am Ball bleiben.“
Training fürs Leben
Das intensive Training an fünf bis sechs Tagen pro Woche verlangt den Kaderkindern einiges ab, bringt ihnen aber auch viel, was ihnen im ganzen Leben weiter hilft. „Die Kinder lernen, dass man Erfolge nicht geschenkt bekommt, sondern etwas dafür tun muss, dass Disziplin dazu gehört. Und natürlich, dass nicht alles immer nur Spaß machen kann, beim Turnen muss man sich auch mal quälen“, so Trainer Steve Woitalla. „Das geht nur, wenn die Kinder das wirklich wollen und die Eltern es aktiv mittragen.“
Der familiäre Hintergrund ist oft prägend für Turnerkarrieren, so wie auch bei Steve Woitalla selbst: „Ich bin praktisch in der Turnhalle aufgewachsen, meine Eltern haben mich von Anfang an mitgenommen.“ Auch KTV-Präsident Jörg Gänger bestätigt das: „Es ist immer gut, wenn mindestens ein Elternteil selbst im Turnsport engagiert ist oder war, so wissen die Eltern, worauf es ankommt und wie sie ihr Kind am besten unterstützen.“

Gute Motivationsfaktoren für die Kinder sind natürlich auch der sportliche Erfolg ihres Vereins und die Nähe zu den ganz großen Vorbildern ihres Sports. Wo sonst kann man erleben, dass sich ein Star wie Marcel Nguyen Zeit für die eifrigen Fragen und Selfiewünsche der Turnkinder nimmt?
Herausforderung macht Spaß
Fragt man die kleinen Leistungssportler selbst, scheint es gerade die Herausforderung zu sein, die sie vor allem motiviert: „es ist nie langweilig, weil es so viele verschiedene Geräte und Übungen gibt“, „man lernt auch, wie man seine Grenzen überwindet“, „es ist toll, wenn man eine neue Übung kann, die andere nicht können“, „die Wettkämpfe machen Spaß, wenn man zeigen kann, wie gut man ist“, so ihre Antworten. Ein großes Ziel haben sie auch schon im Blick: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles, bei denen sie mit 18 Jahren erstmals teilnehmen dürften.
Keiner würde sich wohl mehr darüber freuen als Jörg Gänger, denn „der größte Wunsch des Vereins ist, Athleten aus den eigene Reihen an die Spitze zu bringen“. Keine einfache Aufgabe in einer Sportart, in der nicht gerade das große Geld fließt wie zum Beispiel beim Fußball. „Ohne unsere Ehrenamtlichen und die verlässliche Partnerschaft mit unseren Sponsoren wäre unsere Arbeit nicht möglich und der Verein nicht so erfolgreich“, resümiert der KTV-Präsident.
Kleiner Ort – großer Sport
Spitzensport auf Weltklasse-Niveau ist keine Selbstverständlichkeit abseits von großen Ballungszentren. Wie schafft die KTV-Straubenhardt das?
Die KTV Straubenhardt ist als DTB Turnzentrum qualifiziert und einer der bundesweit erfolgreichsten Vereine im Turnen der Männer, auf den man in der Region zu Recht stolz ist. Gleich zwei Top-Mannschaften hat der Verein vorzuweisen: Das Team der 1. Bundesliga holte 2019 den siebten Deutschen Meistertitel und steht seit 15 Jahren ununterbrochen mindestens auf dem Treppchen. Der 2. Mannschaft gelang aktuell der Aufstieg in die 2. Bundeliga. Derzeit stellt der Verein fünf Athleten in der Turner-Nationalmannschaft, die auf ein Olympia-Ticket hoffen können. Rund 160 Mitglieder hat die KTV insgesamt, gut die Hälfte davon turnt aktiv, darunter 50 Kinder und Jugendliche.

Weltklasse-Sportler vor Ort erleben
Die Wettkämpfe sind Highlight-Events in der Region, bei denen mehr als 1.000 Fans regelmäßig das Team anfeuern und für begeisterte Wettkampfstimmung in der modernen Straubenhardt-Halle sorgen. „Wer das einmal erlebt hat, kommt immer wieder“, so die Erfahrung von KTV-Präsident Jörg Gänger. Für ihn kein Wunder, denn „was die Athleten zeigen, ist spektakulär, das reißt das Publikum mit“, meint er. Nicht nur bei Olympia, wo das Turnen seit den ersten Spielen der Neuzeit 1896 zu den Traditions-Disziplinen gehört, sondern auch in den Turnerligen hat die Sportart einen hohen Attraktivitätsgrad und ist absoluter Zuschauermagnet. „Schön wäre es, wenn sich diese Beliebtheit auch in der Sportberichterstattung widerspiegeln würde und mehr Turnen im Fernsehen gezeigt würde“, wünschte er sich.
Erfolgsrezept: Kräfte bündeln
Mehr mediale Unterstützung für den Turnsport täte sicher gut, zum Glück ist die KTV als einziger Spitzensportverein in der Region jedoch nicht darauf angewiesen.
Das Turnen hat hier in der Gegend eine tief verwurzelte und breite Basis, es gibt viele traditionsreiche und engagierte Turnvereine in der Umgebung. Mit ihnen hat auch die Erfolgsgeschichte des KTV vor 45 Jahren begonnen. Damals schlossen sich die Vereine mehrerer Straubenhardter Teilorte zur Kunstturnvereinigung Straubenhardt zusammen, um Kräfte zu bündeln und ein gutes Förderumfeld für Turnsportler mit Wettkampambitionen zu schaffen. Der Plan ging schnell auf, es dauerte nur wenige Monate, bis die ersten KTV-ler bei den Wettkämpfen auf Gauebene Aufmerksamkeit erregten. In den 1990-er Jahren begann der stetige Aufstieg bis zur 1. Bundesliga, wo die KTV seit 15 Jahren einen Stammplatz behauptet.
Das geht natürlich nur, wenn es gelingt, die besten Sportler für den Verein zu gewinnen und zu halten. Dass die KTV hierbei so erfolgreich ist, hat mehrere Gründe. „Wir bieten gute Bedingungen, halten Zusagen ein und sind auch bei Verletzungspausen ein verlässlicher Partner für die Sportler. Auch der Vereinserfolg ist wichtig, immerhin ist die Chance groß, mit dem KTV ganz vorne in der Bundesliga mitzumischen“, erklärt Jörg Gänger. Was die „guten Bedingungen“ betrifft, dürfe man sich allerdings keine falschen finanziellen Vorstellungen machen, „es gibt Antritts- und Siegprämien, aber davon kann man sich keinen Ferrari in die Garage stellen. Das große Geld ist im Turnsport nicht zu machen, das ist schon echte Sportbegeisterung, was die Athleten antreibt.“
Partnerschaft mit der Wirtschaftsregion
Eine tragfähige und enge Partnerschaft verbindet die KTV auch mit ihren Sponsoren. Kräfte bündeln ist hier ebenfalls die Devise, denn beim KTV-Sponsoring zählt nicht nur die finanzielle Seite, sondern vor allem die Unterstützung bei der Nachwuchsgewinnung und bei den Wettkämpfen selbst. Mit den Sponsoren gemeinsam wurde ein attraktives Eventkonzept entwickelt, das sich für beide Seiten bewährt hat. Die unterstützenden Firmen können ihren Zielgruppen Spitzensportveranstaltungen bieten, wovon auch der Verein profitiert. Gut 400 der über 1.000 Zuschauer bringen die Sponsoren zu den Heimwettkämpfen in die Halle, darunter nicht nur VIPs, sondern zum Beispiel auch Schulklassen auf Einladung der GVP. Jörg Gänger ist zuversichtlich, dass diese gute Partnerschaft verlässlich weiter gepflegt wird, auch wenn die öffentliche Sponsoren-Präsenz durch die Corona-Folgen in diesem Jahr reduziert sein wird.

Die Zukunft im Blick
Pläne für die anstehende Bundesliga-Saison unter Corona-Bedingungen gibt es bereits, doch wie die Realität im Herbst tatsächlich aussehen wird, lässt sich derzeit noch nicht vorhersagen. Sicher ist vorerst nur, dass es weniger Wettkämpfe als gewohnt geben und die Zuschauerzahl wohl niedriger ausfallen wird. An den eigenen sportlichen Zielen mag die KTV aber dennoch keine Abstriche machen. „Wir wollen weiterhin so gute sportliche Leistungen realisieren und Maßstäbe in der Turnliga setzen wie bisher. Und wir werden natürlich alles tun, um unsere nächste Meisterschaft zu holen“, verspricht Präsident Gänger.

Schwung holen für Tokio
Weltklasse-Turner Marcel Nguyen vom KTV Straubenhardt möchte das Quartett voll machen und arbeitet auf seine vierten Olympischen Spiele hin.
Wie ist die Trainingssituation jetzt?
Nicht optimal. Seit Mitte Mai können wir wieder in die Halle, natürlich unter Auflagen. Aber momentan kann ich nur einmal täglich trainieren. Normal wären sieben oder acht Stunden pro Tag in drei Einheiten. Wenn man die Elemente nicht ständig intensiv übt, verliert man das Gefühl für den Bewegungsablauf und für die Geräte. Deshalb macht man als Turner eigentlich nie mehr als höchstens eine Woche Urlaub.
Wie haben Sie den Corona-Lockdown erlebt, Marcel?
Das war schon alles sehr seltsam, so plötzlich von einer Minute zur anderen war die Halle zu und nichts ging mehr. Ich habe die Zeit mit Krafttraining überbrückt und Tutorials für den SWR gemacht, aber Geräteturnen zu Hause geht nun mal nicht. Das Schlimmste war die Unsicherheit, wie es mit Olympia weiter geht.
Was bedeutet dieses ausgefallene Olympiajahr für Sie?
Durch meine Verletzung im letzten Herbst wäre die Olympia-Qualifikation in diesem Jahr eng geworden, jetzt kann ich meiner Schulter mehr Zeit für den Aufbau geben. Über die Verschiebung der Spiele war ich deshalb schon erleichtert. Aber das geht auch vielen anderen so. Im Turnen ist die Wettkampfvorbereitung entscheidend und die Bedingungen dafür waren weltweit viel zu unterschiedlich für einen fairen Leistungsvergleich.
Wie geht es sportlich weiter für Sie?
Hundertprozentig sicher ist ja nichts in diesem Jahr. Aber ich werde natürlich jede Chance nutzen, mich für Tokio zu qualifizieren. Nächstes Ziel ist die Europameisterschaft in Baku, die für Dezember geplant ist. Da könnten wir sogar einen zusätzlichen Olympia-Startplatz für die deutsche Mannschaft im Mehrkampf holen. Und die Bundesliga soll im Herbst auch wieder stattfinden. Ich freue mich jedenfalls auf jeden Wettkampf.
Auch ohne Zuschauer?
Publikum gehört natürlich zu einer richtigen Wettkampfstimmung. Ob das dieses Jahr möglich sein wird, wer weiß? Aber wir hoffen es natürlich alle.
Marcel Nguyen, 32, kam mit vier Jahren über das Mutter-Kind-Turnen zu dem Sport, der ihn an die Weltspitze führte. Seit 2008 hat der mehrfache Europa- und Deutsche Meister drei Mal in Folge an Olympischen Spielen teilgenommen und 2012 in London zwei Silbermedaillen geholt. Ein von ihm selbst entwickeltes Turn-Element am Barren wurde als „The Nguyen“ in die internationalen Wertungsregeln aufgenommen. In der Turn-Bundesliga startet er für den KTV Straubenhardt.

Wo kommen eigentlich all die Olympioniken her?
Als Sportstar geboren wurde keiner, alle haben sie klein angefangen – als Nachwuchstalente irgendwo in einem der vielen Sportvereine, die sich im Breiten- und Jugendsport engagieren und ohne die der Spitzensport alt aussähe.
Von der wertvollen Arbeit der Vereine profitieren jedoch nicht nur die Sportler, sondern das Gemeinwesen als Ganzes. Gerade im ländlichen Raum tragen sie ganz entscheidend zur Attraktivität und Lebensqualität aller bei, die hier leben. Sie stellen einen Großteil der Freizeitangebote auf die Beine, halten ganze Dorfgemeinschaften zusammen, wirken als Integrationsfaktor und fördern Kinder und Jugendliche in ihrer physischen, psychischen und sozialen Entwicklung. Und immer wieder zeigen sie, dass man auch abseits der großen urbanen Ballungszentren absoluten Weltklassesport erleben kann, wie beispielsweise bei uns hier im Kunstturnen.
Kurz gesagt: Unsere Sportvereine sind unverzichtbar. Doch die Finanzen sind meist knapp und die Kommunen alleine selten in der Lage, die große Vielfalt an Sportarten, Sportstätten, Trainings- und Betreuungsarbeit ausreichend zu fördern. Wären da nicht die unzähligen Ehrenamtlichen und helfenden Hände, wäre es schlecht bestellt um die Sportrepublik.
Die GVP versteht sich als Teil der lebendigen Gemeinschaft hier vor Ort, und so bildet der Sport einen wichtigen Schwerpunkt unseres Sponsoring-Engagements. Wir unterstützen zum Beispiel die Volleyball-Abteilung im TSV Ötisheim 1892 e.V., die Fußballer des SV 1899 Langensteinbach e.V. und des 1. FC Birkenfeld sowie die Kunstturnvereinigung KTV Straubenhardt. Dabei liegt der Fokus auf der Jugendarbeit. Und es geht nicht nur ums Geld, die GVP setzt sich vielmehr als Partner der Vereine aktiv für deren Ziele ein.
Um zum Beispiel die Nachwuchsarbeit des KTV Straubenhardt zu unterstützen, lädt die GVP Schulklassen mit ihren Sportlehrern zu den Heimwettkämpfen der Turner-Bundesliga ein. So können viele Kinder diese faszinierende Sportart hautnah erleben und bekommen die Chance, die Turngeräte von Nahem zu sehen und die Sportler oder Trainer auszufragen. Oft ist dies der Anfang einer großen Fan-Freundschaft oder sogar der Anstoß, selbst mit dem Turnen anzufangen. Und ganz egal, ob der eine oder die andere eines Tages in irgendeiner Weltrangliste ganz oben steht oder nicht – für unsere Region sind alle unsere Sportvereine Spitze.